Vom 16. – 19. Juni 2022 fand das Frühjahrstreffen der Diplombiersommeliers in Brüssel statt. Endlich muss man sagen, hätte der Anlass doch bereits im Frühling 2020 stattfinden sollen. Aber die Pandemie hat dafür gesorgt, dass die Reise zweimal verschoben werden musste. Zum Glück konnten wir unser Hotel jedes Mal ohne Aufwand umbuchen. So war die Vorfreude riesig und es stand nichts mehr für ein bieriges Wochenende in Brüssel im Weg.
Donnerstag, 16. Juni
Wir fliegen ab Zürich nach Brüssel und beim Abfluggate treffen wir bereits auf einen Biersommelier-Kollegen und so geht die Wartezeit bis zum Boarding sehr schnell vorbei. Wir landen kurz nach 14 Uhr pünktlich am Flughafen Zaventem – im Gegensatz zu einigen Bahnreisenden, die an diesem Tag mit massiven Verspätungen zu kämpfen hatten. Eigentlich würde um 15 Uhr schon der erste Programmpunkt des Anlasses starten; eine Führung durch die Brauerei Cantillon. Da wir diese aber bereits vor Kurzem besucht haben, fahren wir direkt mit dem Zug in die Stadt. Das Ticket zu beziehen ist sehr einfach, denn es gibt sehr viele Fahrkartenautomaten auf dem Weg zum Abfahrtsgleis und Unterstützung ist auch vor Ort, falls man mit den Automaten nicht klar kommt. So sind wir rasch und sehr günstig am Bahnhof Bruxelles-Central. Von dort geht es dann gut 10 Minuten zu Fuss etwas holperig über Kopfsteinpflaster durch die Altstadt, vorbei am Grossen Markt zu unserem Hotel Ibis.

Nach dem Bezug des Zimmerst gehen wir zuerst ins Grimbergen Café, welches sich in unmittelbarer Nähe zum Hotel Ibis befindet. Es gibt dort sechs Biere vom Fass, einen grimmigen Kellner und eine sehr schöne Terrasse. Wir geniessen bei warmen Temperaturen unser erstes Bier in Brüssel.

Da wir bis zum nächste Programmpunkt noch etwas Zeit haben, fahren wir mit der Strassenbahn – welche mehrheitlich unterirdisch fährt – zur L’Ermitage Saint-Gilles. Diese eher unscheinbare Bar, so unscheinbar, dass wir zuerst vorbei gehen, ist abseits des Touristenstrom und so können wir ohne Hektik die tollen Craftbiere dieser Kleinstbrauereie verkosten. Und falls man Hunger hat, gäbe es auch noch Pizzen.




Auf dem Weg zurück in die Stadt machen wir noch einen kurzen Zwischenstopp in der Brasserie de l’Union. Dieses Restaurant ist an einer belebten Strasse und bietet eine einfache, aber gute Küche und eine grosse Auswahl an Bieren (on tap und in Faschen). Nachdem unser Hunger gestillt ist, geht es zurück mit der Strassenbahn in die Innenstadt, wo wir die anderen Biersommeliers im Café A la Mort Subite treffen. In diesem alten und traditionsreichen Café werden köstliche Geuze ausgeschenkt und es gibt kleine, typische Snacks dazu. Die Dekoration ist immer noch original aus dem Jahr 1928 und unser Kellner hat auch seinen eigenen Charme. Er wird von uns gut 30 Biersommeliers ziemlich gefordert, der Arme. Aber er macht einen guten Job und hat sogar noch Zeit für den einen oder anderen Spruch.


Nachdem wir uns mit allen bekannt gemacht haben, löst sich die Gruppe wieder auf und wir gehen unserem nächsten Ziel: Die rustikale Bar À la Becasse ist nicht einfach zu finden, da sich der Eingang in einer kleinen Häusergasse befindet. Da nützt die wunderschöne Einlage auf der Strasse vor dem Gasseneingang nicht viel. Auch in der Becasse ist es sehr ruhig, logisch wollen doch alle Menschen bei diesem fantastischen Wetter draussen sitzen. Wir finden noch Platz an einem der wenigen Aussentische, welche sich vor dem Eingang befinden. Und hier fühlen wir uns auch irgendwie auf einer Terrasse, halt einfach in einer Gasse. Auf der Speisekarte der Becasse findet man belgische Spezialitäten und eine grosse Auswahl an Bieren und Weinen. Die Spezialität hier: man kann Melanges von zwei Bieren trinken, welche in einem Tonkrug serviert werden. Es gibt folgende Kombinationen: Lambic + Geuze / Lambic + Kriek / Lambic + Framboise. Wir genehmigen uns ein Lambic + Geuze, welches wunderbar schmeckt und ein toller Abschluss für den ersten Tag in Brüssel ist.





Freitag, 17. Juni 2022
Heute stehen zwei Lambic-Brauereien auf dem Programm: die Brouwerij Boon in Halle und die Brouwerij Oud Beersel in Beersel. Wir werden vor dem Hotel Ibis von einem Reisebus abgeholt und pünktlich fahren wir Richtung Halle los.
Die Brouwerij Boon überrascht uns total. Wir waren nicht auf einen solchen traditionsreichen Familienbetrieb vorbereitet und als uns Frank Boon der Gründer begrüsst, sind wir hin- und weg, denn Frank Boon ist eine Legende! Seine fantastischen Lambic sind nicht nur in Belgien bekannt, sondern man kennt sie weltweit. Lambic werden bis zu drei Jahren in Holzfässern gereift und werden danach zu Oude Geuze gemischt. Dieser einzigartige Brauprozess mit spontaner Gärung ist in Belgien im Pajottenland, im Zenne-Tal und in Brüssel aufgrund des Vorhandenseins einer spezifischen Mikroflora möglich.

Wir haben das Glück und dürfen die Tour mit Frank machen und erfahren so viel Wissenswertes über die Belgische Brautradition, die Lambic Produktion und wie eine Geuze gemacht wird. Frank hat zu jeder Frage eine Antwort und sein Wissen scheint endlos zu sein. Genau wie seine Leidenschaft und Begeisterung für seinen Beruf. Er hat zwar die Leitung des Betriebes seinen beiden Söhnen weitergegeben, aber er ist immer noch mit Leib und Seele dabei. Er führt uns vorbei an riesigen Holzfässern und alten Braugeräten. Danach dürfe wir im wunderschönen Taproom vier Geuze verkosten, inkl der Marriage Parfait aus dem Holzfass. Diese Köstlichkeit vereinigt Lambics von drei verschiedenen Jahrgängen welche so zu einer perfekten Kombination aus sauren, dezent bitteren und fruchtigen Komponenten wird. Einfach grandios! Der Abschied fällt schwer und nur der Gang in den Shop kann Abhilfe schaffen, nicht ganz so traurig weiter zu fahren.
Unser nächster Stopp ist die Brouwerij Oud Berseel. Die 1882 gegründete Brauerei befindet sich gut 10 Km von Brüsseler Stadtzentrum entfernt. Sie ist eine der letzten verbliebenen, authentischen Lambic-Brauereien. Eigentlich ist es keine wirkliche Brauerei, sondern eine Blendery, dh ein Ort wo verschiedene Lambic Biere gemischt werden. Es ist aber geplant, dass wieder vor Ort Bier gebraut werden. Zuerst gibt es für uns einen Mittags-Imbiss im wunderschönen und modernen Taproom. Danach werden wir durch die Blendery geführt. Wir sehen Fässer, in welchen Lambics reifen, die über 100 Jahre alt sind, Wahnsinn! Diese Fässer verleihen den Bieren auch den speziellen Geschmack, sitzen doch die speziellen Hefen im Holz drinn.










Auch hier muss ich nach der Führung einen Abstecher in den Shop machen.

Die Rückfahrt in die Stadt dauert lange, da wir hinter einem Tram herschleichen müssen. Für das Nachtessen suchen wir uns einen Italiener, denn nach einem solch anstrengenden Tag brauchen Rolf und ich Kohlenhydrate. Den Schlummertrunk nehmen wir in der Bar Moeder Lambic, wo wir wunderbar auf der Terrasse in die Nacht hineingleiten können. Neben den Bieren on tap gibt es eine riesige Auswahl an Flaschenbieren, auch Spezialiäten, zB von 3 Fonteinen.




Hier noch einige Impressionen aus der Stadt:




Samstag, 18. Juni
Heute steht Kultur auf dem Programm. Mit dem Zug fährt ein Grossteil der Biersommeliers Leuven. Hier werden wir in drei Gruppen aufgeteilt. Zwei Gruppen nehmen an einem Stadtrundgang teil – eine Gruppe setzt sich in ein Biercafé für ein erstes belgisches Bier. Der Stadtrundgang ist recht interessant, aber alle kämpfen mit der Hitze. 34 Grad soll es heute werden, das macht durstig. Auf dem Plan steht nach dem Mittagessen eine Velotour, doch wir klinken uns aus. Der Hunger ist zu gross, um noch lange auf Nahrung zu warten und so klinken wir uns aus und gehen ins Café Leffe, wo wir mit einem riesigen Salat und zwei Leffe Bieren dem Durst und Hunger Abhilfe schaffen. Danach geht es mit dem Zug via Bruxelles-Midi nach Lot, wo sich die Brouwerij 3 Fonteinen befindet, welche nicht weit vom Bahnhof befindet. Wir waren schon bei unserem letzten Brüsselbesuch hier und es war so fantastisch, dass wir die Chance nutzen, das Lambik-O-droom wieder zu besuchen.

3 Fonteinen wurde 1887 als Café und Geuzestekerij gegründet, einem Ort, an dem Geuze durch Mischung von alten und neuen Lambics hergestellt wird. Im Mai 2009 ließ ein defekter Thermostat 3000 Flaschen explodieren. Die verbleibende überhitzte Geuze wurde zu einem Eau de Vie namens „Armand’s Spirit“ verarbeitet, dessen Verkauf es der Brauerei ermöglichte, den Betrieb fortzusetzen. Im März 2013, nach vierjähriger Unterbrechung, weihte die Brauerei 3 Fonteinen ihre neue Brauanlage ein und braut wieder ihren eigenen Lambic. In den Jahren ohne eigene Brauerei gelang es 3 Fonteinen sich über Wasser zu halten, indem es Lambic mischte, welche sie von nahegelegenen Lambic-Brauereien wie Boon und Girardin gekauft hatten.



Wir gönnen uns drei wunderbare Lambic und geniessen das schöne Wetter unter schattenspendenden Sonnensegel:
– Druif Gewürztraminer (Season 20/21) Blend No 5 / 7.5 dl
– Oude Geuze Golden Blend (2014) / 3.75 dl
– Oude Geuze Vintage (2010) / 3.75

Alle Biere werden in einem Weidenkorb serviert und aus einem Weinglas getrunken. Die Köstlichkeiten sind nicht günstig, aber es lohnt sich auf jeden Fall, sich auf diese Spezialitäten einzulassen.

Wir sind im 7. Geuze-Himmel! Selbstverständlich gehe ich noch in den Shop und kaufe zwei Flaschen, welche man nur vor Ort und nur in limitierter Anzahl erhält. Wir haben ja noch genügend Platz in unserem Koffer.

Nach gut zwei Stunden geht es mit dem Zug zurück in die Stadt. Dort essen wir in der Pizzeria Nona eine fantastische Pizza. Auf der Karte ist die Auswahl auf den ersten Blick nicht gross, aber dafür sind es keine 08.15-Pizzen. Zum Abschluss des heutigen Tages geht es in die Bar La Porte Noire, die ihren Namen Ehre macht. Man findet nämlich den Eingang beinahe nicht, so schwarz ist die Türe. Und dann geht es noch eine dunkle Steintreppe in einen kühlen und eher düsteren Keller in welchem Irisch Folk abgespielt wird. Die Bierauswahl ist gross und interessant und die Musik wird es auch noch: Heavy Metal. Da fühlt sich Rolf gleich doppelt wohl.




Zurück im Hotel fallen wir todmüde ins Bett und als wir schon lange im Land der Träume sind, posten die ganz Hartgesottenen ein Bild des letzten Biers auf dem Grand Place.
Sonntag, 19. Juni 2022
Heute heisst es schon wieder Abschied nehmen. Um 10 Uhr wäre ein Abschlussbier im Delirium Café geplant gewesen, aber das öffnet am Sonntag erst um 12 Uhr, so wie viele Biercafés in der Stadt. So verabschieden wir ins in der Hotelbar – mit oder ohne Bier – und fahren danach an den Flughafen. Wir sind schnell durch das Check-In und die Sicherheitskontrolle und gönnen uns ein letztes Bier. Immer wieder sehen wir bekannte Gesichter aus unserer Biersommelier-Gruppe – ein letztes tschüss vor dem ready for take-off.
Es waren drei wunderbare Tage in Brüssel. Das Wetter hat gepasst, wir hatten interessante Gespräche, fantastische Biere und viel, viel Spass.