Bier-und Genussreise ins Tessin

Vom 26. – 29. Mai 2022 fand die Genussreise der Biersommeliers Sektion Schweiz ins Tessin statt. In der Sonnenstube des Landes findet man palmengesäumte Seen, hohe Alpengipfel und eine für das Tessin typische Architektur. Küche und Kultur sind eng mit dem benachbarten Italien verbunden. Und so durften wir uns auf 2 ½ wunderbare Tage im Süden der Schweiz freuen.

Die Anfahrt mit dem Zug ist am Auffahrtstag eine echte Herausforderung. So viele Menschen strömen in den Süden, obwohl die Wettervorhersagen für den nördlichen Teil der Schweiz auch sehr gut waren. Zum Glück haben wir reservierte Plätze ab Zürich und können so unsere Reise stresslos starten. Nach einem kurzen Mittagstopp in Lugano, mit einer feinen Pizza im Bahnhofsbuffet, kommen wir gegen 15 Uhr im Hotel Milano in Mendrisio an und treffen schon die ersten Biersommelier-Kollegen und -kolleginnen bei einem ersten Bier auf der Hotelterrasse an.

Um 16.30 Uhr startet das offizielle Programm, an welchem 18 gut gelaunte Biersommeliers und Genussmenschen teilnehmen. Unser Reiseleiter und Lokal-Matador Rolf Burkhard hat ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt und nach dem ersten Kennenlern-Bier geht’s auch schon los. Wir werden in die Azienda Agricola e Vitivinicola Cadenazzi gefahren.

Der Besitzer Davide Cadenazzi ist Winzer mit Leib und Seele. Im Schatten einer Pergola dürfen wir inmitten der Reben zuerst seine Weissweine verkosten. Dazu gibt es frisch gebackenes Brot mit Ziegen-, Frisch- und Bergkäse und Ziegen-Rohschinken. Davide führt uns in die Geheimnisse seiner Weine ein. Wir lernen, was es bedeutet Weinbauer zu sein und wie viel Arbeit damit verbunden ist. Vor allem wenn man biologisch bzw biodynamisch anbauen will und sich an alle Auflagen halten muss.

Nach dieser ersten Runde geht es weiter in den Weinkeller, wo wir zwei Biere aus dem Birrificio 50&50 verkosten dürfen: das Italian Grape Lager und ein tolles, nicht typisches Saison. Rolf hat diese Biere in Varese (Italien) für uns eingekauft. Auch dazu gibt es wieder ein leckeres Foodpairing, mit Wurstwaren aus der Eigenproduktion von Davide. Der krönende Abschluss des Tages endet in einer opulenten grigliata (Grillade). Das Essen, die Weine und der Grappa sind fantastisch und je leerer die Grappaflaschen werden, desto ausgelassener wird die Stimmung. Als der letzte Tropfen ausgetrunken ist, werden wir wieder in die Unterkunft gefahren und können uns einfach nur glücklich ins Bett fallen lassen.

Am Freitag geht es nach dem Frühstück bereits um 10 Uhr los. Für die kommenden zwei Tage steht uns ein bequemer Kleinbus zur Verfügung, so dass wir es uns einfach nur gut gehen lassen können. Nachdem unsere Gruppe komplett ist, fahren wir zum ersten Stopp, dem Birrificio San Martino in Bioggio. Diese kleine Brauerei ist eine Pionierin im Bereich Craftbier im Tessin und wurde bevor sie Insolvenz anmelden musste, von einer der ältesten Brauerei der Schweiz, dem ‘Schützengarten’ in St. Gallen, aufgekauft. Zuerst gibt es einen Einblick in die Brauerei und danach verkosten wird die verschiedenen Biere, welche alle solide gebraut sind und gut schmecken. Am besten hat mir das IPA des eigenen Labels Bad Attidude gefallen. Rolf erklärt uns alles Wissenswerte rund um das Birrificio und die Biere. Und so wird es zu einem perfekten Start in den zweiten Tag unserer Genussreise.

Nachdem wir uns eingestimmt haben, geht es nur knapp einen Kilometer weiter in die
Officina della Birra. Die Mikrobrauerei wurde 1999 gegründet und 2019 wurde ein Tap-Room Shop eröffnet. Dort werden wir schon mit offenen Armen von Eric Notari, dem Brauer und Gründer, seinem Sohn Lucio und dem Biersommelier Davide Manara empfangen. Als wir den riesigen Apéro-Tisch sehen, wissen wir noch nicht was alles auf uns zukommen wird. Doch zuerst bekommt jeder eine Flasche des Swiss Hockey Lagers in die Hand gedrückt und auf geht es zum Rundgang durch die Brauerei, wo wir wieder viel Wissenswertes erfahren.

Dann geht es voller Erwartung ans Verkosten, Vergleichen und Geniessen. Zwölf Biere werden jeweils von Davide und Eric vorgestellt und passen wunderbar zu den vielen Leckerbissen, die vor uns aufgebaut wurden.

Als wir schon denken, besser kann es nicht mehr werden, geht es zur Verkostung der Sauerbiere von der Officina della Birra. Im Schatten eines kleinen Zeltes werden auf einem Gabelstabler die passenden Käse zu den Bieren aufgefahren:

Margherita Sour mit Quark auf Vollkornbrot
Tutti Frutti Sour mit Bergkäse und Himalayasalz
Bohemian Sour Lager mit schwarzgepfeffertem Tessiner Gouda
Americana mit einem rezenten Blauschimmelkäse

Zum Schluss gibt es noch einen Barley Wine, und zwar einen in Bourbon Barrels gereiften mit 15,0% Alkohol. Dieser Nachmittag ist einfach A Womp Bomp a Loom op a Womp Bam Boom! Ein himmlischer Genuss bei strahlendem Sonnenschein – dolce far niente pur.

Das tolle: Die Officina della Birra ist bequem in knapp 20 Minuten mit dem öffentlichen Verkehr ab Lugano erreichbar.

Taproom und Shop der Officina della Birra in Bioggio.

Für das Abendessen fahren wir in das antike Grotto Eremo San Nicolao, welches gut fünf Kilometer von Mendrisio entfernt ist. Aber diese Strecke hat es in sich: Kurve an Kurve schlängelt sich die Strasse in die 300 Meter höher gelegene ehemalige Einsiedelei. Das Grotto Eremo San Nicolao bietet eine einfache, aber schmackhafte Küche mit typischen Produkten aus der Region: Käse aus dem Muggiotal und aus den regionalen Alpen, lokale Wurstwaren, Minestrone, Risotto, Uccelli Scappati (eine Art Fleischröllchen), Ossobuco, Kaninchen und hausgemachte Süssspeisen. Und selbstverständlich dürfen auch die einheimischen, sehr guten Weine nicht fehlen. So geniessen wir verschiedene Weine des Agriloro Tenimento del Ör, die wir schon vom Weinschiff Basel kennen.

Fantastische Tessiner Weine.


Der Ausblick ins Tal (Mendrisiotto) und auf das Alpenpanorama ist grandios – selbst vom ‘stillen Örtchen’. Und wer Lust hat, kann sich abends auch noch einer Führung durch die kleine Kirche und die Grotte anschliessen und erfährt so, wie die Einsiedelei früher genutzt wurde. Und die Erklärungen werden standesgemäss im historischen Kostüm vermittelt

Einmaliger Ausblick vom stillen Örtchen.

Wir haben einen gemütlichen Abend mit lebendigen Gesprächen, welcher bei Grappa und Limoncello einen runden Abschluss findet. Und für unseren Rücktransport ist gesorgt. Stressfrei werden wir wieder ins Tal in unsere Hotels gefahren.

Wie erreicht man dieses Grotto? Am einfachsten sicher mit dem Auto oder mit einem Taxi. Es gibt zwar Verbindungen mit dem öffentlichen Verkehr. Zum Beispiel Von Capolage-Riva S. Vitale mit der Generoso-Bahn bis zur Haltestelle S. Nicolao und dann noch ein 1 km langer Fussmarsch. Oder es gibt eine Busverbindung ab Mendrisio bis nach Somazzo, Paese und von dort noch gut 1 Kilometer zu Fuss. Aber eine Rückfahrt nach 20 Uhr ist nicht möglich.

Den Samstag starten wir mit einer längeren Fahrt in Richtung Norden in die Magadinoebene. Dort befindet sich die Malteria Ticinese, welche in der Scheune eines idyllischen Bauernhof untergebracht ist. Manuel ‘Bolli’ Bolliger, Mitinhaber und Diplom Biersommelier, zeigt uns den kleinen Betrieb. Wöchentlich werden gut 500 kg Gerste aus regionaler BIO-Produktion mit Stolz und Überzeugung vermälzt. Auch hier gibt es wieder einige feine Biere zu trinken, direkt aus dem gut ausgestatteten Kühlschrank von Bolli, der in seinem kleinen, gemütlichen Verkostungsraum Kurse und Tastings anbietet. Wir kommen auch in den Genuss von Bieren, die mit seinem Malz gebraut worden sind – die schmecken selbstverständlich am besten! Wir haben in der Malteria Ticinese nur ein Zeitfenster bis 12 Uhr, da später auf dem Bauernhof eine Hochzeit stattfinden wird. Und so muss uns Rolf etwas antreiben, damit wir zur nächsten Brauerei fahren können.

Da sich nun aber ein kleiner Hunger eingeschlichen hat, fällt uns der Abschied nicht so schwer und wir fahren zurück nach Lugano zur Broken City Brewing Co. Hier konzentriert man sich auf die Herstellung moderner Biere, inspiriert von neuen Stilen und Techniken aus Nordeuropa und den USA. Zuerst gibt es einen Einblick in die Brauerei und dazu gibt es zur Einstimmung das erste Bier dieser hopfigen Brauerei. Gebannt hören wir den Erklärungen von Fabio und Rodrigo zu und wir spüren das Herzblut und die Leidenschaft für Craftbiere. Im Taproom warten dann leckere Antipasti auf uns und dazu verkosten wir wieder mit Genuss alle zehn Biere der Broken City Brewing Co inkl einiger Neuheiten. Die Zeit vergeht wie im Flug und schon geht es weiter. Als Wegzehrung gibt Rodrigo noch jedem von uns das Mexican Chocolat Stout mit. Eine sehr köstliche Geste bzw Erinnerung an diesen genussvollen Nachmittag.

Bevor wir zum mit Spannung erwarteten Nachtessen fahren, führt uns Rolf noch nach Stabio in die Craftbierbar Indios. Die Bierauswahl ist gross und so geniesst jeder sein Bier und das wunderschöne Wetter auf der chilligen Terrasse. Es wird aber auch quer-verkostet und verglichen, gefachsimpelt und sehr viel gelacht. Das Biersommelier-Leben kann so schön sein!

Fürs Nachtessen geht’s wieder hoch hinaus ins Val Muggio. Nach gefühlten 200 Kurven bzw 4000 Höhenmeter erreichen wir die Osteria Manciana. Der Ausblick von dort ist einmalig, das Essen aus lokalen und saisonalen Produkten sehr schmackhaft. Der ‘osso bucco con polenta della piera’ ist berühmt und schmeckt einmalig gut. Und Rolf überrascht uns mit einem speziellen Bier: eine Magnum-Flasche Chimay Grande Resèrve, Jahrgang 2021, perfekt vom Kellner in Szene gesetzt. Zum Schluss gibt es noch ein Trinkbier, welches den Abend perfekt abrundet. Cosa volete di più? Auf der Rückfahrt ins Tal ist der eine oder die andere bereits auf dem Weg ins Land der Träume.

Der geniale einmalig feine Osso bucco con polenta della piera

Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Osteria Manciana? Schwierig bzw etwas umständlich mit zweimal umsteigen ab Mendrisio. Aber warum nicht den Aufenthalt verlängern und in der Osteria Manciana übernachten? Die Osteria ist nämlich auch eine Herberge. Und es soll wunderbare Wanderwege durch die Kastanienwälder geben.

Am Sonntag heisst es dann arrivederci Ticino. Es regnet in Strömen und so fällt der Abschied nicht ganz so schwer. Wir durften so viele fantastische Biere verkosten, köstliches Essen geniessen. Die Gastfreundschaft war einmalig und wir haben so viel Leidenschaft und Herzlichkeit gespürt, dass wir noch lange von diesem Wochenende zehren können.

Ciao Ticino – ci vediamo presto!

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